Verbraucherdarlehen in Russland – Rechtsprechung (Übersicht)




Das Oberste Gericht Russlands (Bundesgericht) hat in seiner Übersicht der Rechtsprechung zu einigen umstrittenen Fragen im Verbraucherdarlehensvertrag Stellung genommen und Leitsätze ausgearbeitet (Entscheidung des Präsidiums vom 22.05.2013).

Gemäß der Statistik des Bundesgerichtes wird eine Vielzahl der Verbraucherdarlehensverträge wegen ihrer missverständlichen Vertragsgestaltung von Verbrauchern und Verbraucherzentralen „angegriffen“, meist mit Erfolg. Dazu einige Leitsätze des Bundesgerichtes.

1. Eine Klausel  im Verbraucherdarlehensvertrag, die einen Verbraucher zum Abschluss einer Lebensversicherung zu Gunsten der Bank verpflichtet, ist nur dann wirksam, wenn der Verbraucher die Versicherung freiwillig abschließt. Das Bundesgericht geht in diesem Leitsatz systematisch mit folgender Begründung vor:

  • Natürlichen und juristischen Personen liegt der Abschluss eines Vertrages frei (Grundsatz der Vertragsfreiheit, Art. 421 des russischen Zivilgesetzbuches (ZGB).

  • Die Erfüllung eines Vertrages kann u.a. vertraglich abgesichert werden, Art. 329 ZGB.

  • Eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Lebensversicherung ist verboten, Art. 935 Abs. 2 ZGB.

  • Nach Art. 16 Satz 2 des russischen Verbraucherschutzgesetzes darf der Unternehmer dem Verbraucher bei Erbringung einer Leistung keine Verpflichtung zur Erbringung einer anderen Leistung auferlegen. Diese gesetzliche Beschränkung der Vertragsfreiheit schützt die schwächere Partei – hier den Verbraucher (Darlehensnehmer) - und ist somit unabdingbar.  


Demnach sind die Parteien beim Abschluss eines Vertrages nach dem Grundsatz der Vertragsautonomie frei. Der Abschluss einer Lebensversicherung vom Darlehensnehmer zu Gunsten des Darlehensgebers für die gesamte Vertragslaufzeit ist somit grundsätzlich zulässig.

Diese Verpflichtung ist jedoch nur dann wirksam, wenn der Verbraucher eine andere Alternative zur Auswahl hat, z.B. ein Darlehen mit anderem Zinssatz. Allerdings hat das Bundesgericht betont, dass zwischen der Höhe des Zinssatzes mit einer Lebensversicherung und der Höhe des Zinssatzes ohne Lebensversicherung kein auffälliges (im russischen Recht wird das „diskriminierendes“ genannt) Missverhältnis bestehen soll.

Hinweis: Was unter dem diskriminierenden Missverhältnis zu verstehen ist, wurde vom Bundesgericht nicht näher erörtert. Es wurde nur erwähnt, dass die Differenz zwischen den zur Auswahl stehenden Zinssätzen „vernünftig“ sein sollte. 
      
2. Ein Darlehensvertrag ist zum Teil nichtig, wenn die Bank eine Versicherung für den Verbraucher zum Schutz des Darlehens selbst abschließt. Allerdings ist die Bank berechtigt, eine solche Versicherung im Namen des Darlehensnehmers und mit seiner Einwilligung abzuschließen.

Das Bundesgericht weist darauf hin, dass der Abschluss der Versicherung nicht vom Abschluss des Darlehensvertrages abhängen soll und der Verbraucher seinen Willen zum Abschluss der Versicherung ganz deutlich zu erkennen geben muss, z.B. durch eigenhändige Angaben im Vertrag wie „einverstanden“. 

3. Die Forderung der Bank, eine Lebensversicherung bei einem bestimmten Versicherer abzuschließen, verstößt gegen die Vertragsautonomie und ist somit rechtswidrig.

4. Ein außerordentlicher und nicht gesetzlich geregelter Kündigungsgrund der Bank wegen eines beabsichtigten Wohnsitzwechsels oder wegen des Verlustes der regelmäßigen Einnahmen des Verbrauchers ist in einem vorformulierten Darlehensvertrag nichtig, weil der Verbraucher keine Möglichkeit zur Veränderung des Vertragsinhaltes hatte. 

5. Eine Gerichtsstandvereinbarung ist im Verbraucherdarlehensvertrag grundsätzlich wirksam und für das Gericht bindend. Diese Vereinbarung im vorformulierten Vertrag kann jedoch vom Verbraucher angefochten werden, weil sie ihn unangemessen benachteiligt. Somit ist diese Vertragsklausel nur auf Rüge des Verbrauchers und nicht vom Amts wegen zu überprüfen. 

6. Hypothek und Bürgschaft sind voneinander unabhängige Sicherungsmittel eines Darlehens und die Nichtigkeit des Einen führt nicht automatisch zur Nichtigkeit des Anderen, sofern im Vertrag nichts anders geregelt ist.

Grund für diese Problematik ist Art. 367 Abs. ZGB. Danach endet die Bürgschaft u.a. dann, wenn für den Bürgen ohne dessen Einverständnis Umstände eintreten, die zu unerwünschten Risiken der Bürgschaftsschuld führen.

Das Bundesgericht ist der Auffassung, dass die Erfüllung eines Schuldverhältnisses nach Art. 329 Abs. 1 ZGB gleichzeitig mit mehreren Mittel gesichert werden kann und diese Sicherungsmittel voneinander unabhängig sind. Somit wird dem Bürgen durch die Nichtigkeit der Hypothek keine zusätzliche Belastung auferlegt, sofern im Vertrag nichts anders geregelt ist.

7. Bei einer Änderung der Hauptverbindlichkeit ohne Einverständnis des Bürgen endet die Bürgschaft automatisch ab dem Zeitpunkt dieser Änderung. Unter Änderung ist jede neue Belastung des Bürgen und auch Änderung des Zinssatzes zu verstehen. Ein generelles Einverständnis im Bürgschaftsvertrag ist grundsätzlich zulässig.

Das Bundesgericht vertrat die Auffassung, dass das Einverständnis des Bürgen im Vertrag unmissverständlich geregelt sein muss. An das Einverständnis des Bürgen sind nach Auffassung des Bundesgerichtes strenge Anforderungen zu stellen. Es muss unmissverständlich formuliert sein, so dass jegliche zweideutige Auslegung ausgeschlossen ist.

8. Tod eines Bürgen beendet die Bürgschaft grundsätzlich nicht.
Eine Bürgschaftsschuld des Erblassers geht auf die Erben über, wenn dies im Bürgschaftsvertrag geregelt ist. Die Bürgschaftsschuld gehört somit zu den Nachlassverbindlichkeiten.

Praxishinweis zum Schluss: 
Im Falle der Bürge eines Deutschen in einem Vertrag nach russischem Recht (nicht nur im Verbraucherdarlehensvertrag!) ist unbedingt ein der wichtigsten Grundsätzen im internationalen Privatrecht sog. ordre public, also offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen zu beachten. Es könnte sich ein Hindernis für Anerkennung eines ausländischen - hier russischen - Urteiles in Deutschland zur Folge haben. Z.B. Verurteilung eines Bürgen, wenn dieser durch das Zahlungsgebot in seiner Handlungsfreiheit in verfassungswidriger Weise eingeschränkt wird, er also zum wehrlosen Opfer der Fremdbestimmung gemacht wurde und auf Jahre hinaus auf das wirtschaftliche Existenzminimum der Pfändungsfreigrenzen verwiesen wird (BGH IPRax 99, 371; Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. 2013)     


Aleksej Dorochov
Russischer Advokat, Rechtsanwaltskanzlei in Neu-Ulm/Deutschland

P.S:
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